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Tag  1-2

Island 2019

Willkommen auf Island – Von Keflavík nach Snæfellsnes

 

„Mein Koffer platzt, ich hatte keine Ahnung, dass so wenige Winterklamotten, einen Koffer so voll machen können“, sagt Julia, eine meiner engsten Freundinnen. Wir sitzen in einer Maschine der Iceland Air von Frankfurt nach Keflavík. „Ich weiß genau was du meinst, ich musste mich auf den Koffer drauf setzen und es ist eigentlich nichts drin außer Ski-Unterwäsche und drei Pullis“, antworte ich ihr. Zum ersten Mal reisen wir im Winter. Nach Island. Mit einem uns absolut nicht vertrautem Equipment. Und wir sind beide krank. Optimale Voraussetzungen für eine Roadtrip im hohen Norden.

Bis zuletzt war unsere Abreise ungewiss. Ich habe einen gewaltigen grippalen Infekt. Aber schließlich rät mir sogar der Arzt zur kalten, klaren Winterluft. Mal abgesehen davon, können viele unserer Freunde und Familienmitglieder dennoch nicht nachvollziehen warum wir ausgerechnet im November nach Island reisen, obwohl doch die empfohlene Reisezeit der Sommer ist. Die Antwort darauf ist ziemlich einfach: Im Winter ist es auf Island, das mittlerweile zu einem absoluten Trendziel geworden ist, deutlich leerer und weniger touristisch. Uns aber reizt allen voran die bizarre Landschaft im mystischen Licht der zweiten Jahreshälfte. Wir träumen beide schon länger davon diese wundervolle und einzigartige Insel aus Feuer und Eis im Winter in Bildern einzufangen.

Wir werden eine Woche durch Island reisen. Von Keflavík aus fahren wir zunächst in den Nordwesten auf die Snæfellsnes Halbinsel, dann weiter über den Golden Circle bis zur Südküste. Von Vík aus geht es Richtung Osten bis zum Vatnajökull Gletscher. Den Abschluss bildet die Hauptstadt Reykavík.

Islandpferde weiden zur dieser Jahreszeit in den Tälern.

Ankunft in Island

Nach rund 3,5 Stunden landen wir in Keflavík. Direkt am Kofferband wartet der Duty Free Shop, der vor allem Alkohol in rauen Massen bereit hält. Nachvollziehbar. Alkohol in Island ist unbezahlbar. Ein Bier kostet im Restaurant ca. 10 Euro. Wir haben tatsächlich vorgesorgt und Gin aus Deutschland mitgebracht. Daher geht es direkt weiter zur Mietwagen Station. Auch den Geldautomaten lassen wir außer Acht. In Island braucht man kein Bargeld, wir zahlen alles, wirklich alles, mit Karte.

„Oh mein Gott, was ist das für ein Geräusch“, frage ich Julia, nachdem ich den Motor gestartet habe und die ersten Meter mit unserem Mietwagen über den Parkplatz rolle. Es hört sich an als würden wir über Glasscherben fahren. Tatsächlich aber sind es die Spikes auf den Reifen, die das ungewohnte Geräusch verursachen. Wir haben einen SUV mit Allradantrieb gemietet. Ein absolutes Muss, vor allem im Winter. Zusätzlich haben wir eine Versicherung gegen Schäden von Sandsturm und Asche und gegen Steinschlag abgeschlossen. Rückblickend kann ich das nur absolut empfehlen – Die Straßen in Island sind abgesehen von der Ringstraße Nr.1 ein einziges Abenteuer und das Wetter ist vor allem im Winter völlig unberechenbar.

Als wir unser erstes Hotel in Keflavík erreichen ist es 18:00 Uhr und die Sonne ist bereits untergegangen. Wir sind gespannt was unsere Augen am nächsten Tag erblicken werden.

Die Straße Nr. 50 führt entlang des Walfjords

Um 7:00 Uhr klingelt am nächsten Morgen der Wecker. Vor unserer Abreise habe ich die Zeiten vom Sonnenaufgang und Sonnenuntergang recherchiert, damit wir möglichst viel bei Tageslicht von Island zu Gesicht bekommen. Von Keflavík aus geht es heute für uns in den Nordwesten. Rund 400 km liegen vor uns bis wir die Snæfellsnes Peninsula erreichen werden.

Aber zuerst müssen wir uns erstmal passend kleiden. D.h. Zwiebelprinzip: Ski-Unterwäsche und dicke Wandersocken, darüber eine atmungsaktive, wasserabweisende Hose und ein Fleecepulli, ggf. ein weiterer Wollpullover und schließlich die Outdoor-Winterjacke und Outdoor Boots. Schal, Mütze und Handschuhe runden unser erstes Tagesoutfit ab. „Ich sehe aus wie ein Michelin Männchen“, sage ich zu Julia und beäuge mich skeptisch im Spiegel. „Ich auch“ lacht sie. Was soll’s, erfrieren werden wir so auf jeden Fall schon mal nicht.

400 Kilometer gen Norden

Gegen 9:00 Uhr fahren wir noch vor Sonnenaufgang los und schon nach wenigen Metern wird klar: Zum Glück reisen wir individuell mit dem  Auto. Denn: Wie werden sehr, sehr, sehr oft zum Fotografieren anhalten. Die Landschaft ist einzigartig und ganz anders als alles, was ich jemals gesehen habe. Schroffe Berge in den verschiedensten Braunschattierungen wechseln sich ab mit schwarzen Stränden, Vulkangestein und Lavafeldern. Dazu eine mir völlig unbekannte Vegetation, die im wesentlich an Moos erinnert. Island erscheint mir schon in den ersten Augenblicken, wie eine Insel aus einer anderen Welt.

„Island erscheint mir schon in den ersten Augenblicken, wie eine Insel aus einer anderen Welt.“

„Oh schau mal, da sind Islandponys“, ruft Julia vom Beifahrersitz. Schon nach wenigen Kilometern, erblicken wir eines unserer ersten persönlichen Highlights von Island. Ich fahre rechts ran und wir steigen an einer Farm aus. Das Feld ist noch überfroren von der nächtlichen Kälte und an den Gräsern glänzen die Eiskristalle im Sonnenlicht. Vor uns eine Herde Islandpferde. Friedlich und zutraulich beäugen sie ihre Gäste. Während im Sommer die Ponys frei und wild im Hochland leben, kehren sie im Winter zu ihren Eigentümern in die Täler zurück. Wir freuen uns wie kleine Kinder und können uns von unserem ersten Fotomotiv kaum loseisen. Aber wir werden natürlich auf unserer weiteren Reise noch hunderte dieser besonderen und robusten Tiere sehen.

Vertraue niemals auf das Navigationsgerät

Für uns geht es weiter. Einmal um den Hvalfjörður, dem Walfjord, der sich 30 km lang in Islands Westküste reingefressen hat. Wir sind komplett alleine auf der endlos erscheinenden Straße, umgeben von Meerwasser und vereinzelten Häusern auf der einen Straßenseite und Bergen, Pferden und Wasserfällen auf der anderen Seite. „In 200 Metern“ rechts abbiegen, ertönt die Stimme aus dem Navigationsgerät. Wir haben unsere Route mit der Straßenkarte geplant, nichts desto trotz, sind wir dem Navi auf „Nummer Sicher“ gegangen. Denn im Winter werden witterungsbedingt viele Straßen kurzfristig gesperrt. „Hm, soll ich – eigentlich müssten wir auf dieser Straße hier bleiben?“ frage ich Julia unsicher. „Ich weiß nicht“, sagt sie. Wir entscheiden uns dem Navi zu vertrauen.

Mystische Landschaften entlang des Walfjords.

Das ist im Zweifel in Island nicht immer die beste Idee. Denn wir biegen auf eine Straße mit dreistelliger Nummer ab. Später werden wir lernen, dass dies immer Schotterpiste bedeutet. Und ich kann schon vorwegnehmen, dass ich definitiv kein Fan von dieser Straßenform auf unserer Reise geworden bin. Und so endet nach kurzer Zeit der Asphalt auf unserer Straße abrupt und vor uns liegt nichts als Schotter und Schlaglöcher. Wieder einmal bin ich dankbar einen SUV mit Allradantrieb gemietet zu haben. Sehr holprig und sehr langsam bewegen wir uns die nächste 30 Kilometer vorwärts. Immer wenn ich höre wie die kleinen Schottersteine gegen unser Auto fliegen, zucke ich zusammen und bin dankbar für die Versicherung. „Das kann man doch nicht ernsthaft als Straße betiteln!“

Der Wasserfall Hraunfossar

„Geschafft!“, erleichtert erreiche ich endlich wieder etwas, was halbwegs einer normalen Straße gleicht. Hier geht es auch wieder etwas touristischer zu, denn wir erreichen das Tageshighlight – den Hraunfossar. Eine Vielzahl von kleinen Wasserfällen strömt hier aus dem Gestein eines mehrere hundert Jahre alten Lavafeldes – dem Hallmundarhaun – und fällt in die Tiefe. Eine Brücke führt über den Fluss Hvitá und bietet tolle Fotoperspektiven. Gleich nebenan erwaretet uns ein weiterer Wasserfall – der Barnafoss. Neben einem Parkplatz und Toiletten gibt es hier auch ein nettes Café. Ein perfekter Ort um zum Mittag einzukehren und sich nach einem längeren Spaziergang aufzuwärmen.

Der Hraunfossar bildet sich aus hunderten kleinen Wasserfällen

Wir sind schon weit hinter unserem Zeitplan. Und haben damit schon die zweite Erkenntnis des Tages erlangt: Distanzen in Island niemals unterschätzen. Nach einem ausgiebigen Fotostopp und einer kurzen Kaffeepause machen wir uns auf für unsere letzte Tagesetappe von rund 150 km. Wieder geht es auf Landstraßen und Schotterpisten durch mystische Landschaften. Vereinzelt sehen wir kleine Farmen und Kirchen. Wieder sind wir völlig alleine unterwegs. Bis auf einmal Pferde mitten auf der Straße im Gegenverkehr auftauchen…

Am Abend erreichen wir schließlich den kleinen verschlafenen Küstenort Stykkisholmur. Wir übernachten in einer familiengeführten, kleinen, bezaubernden Unterkunft – dem Hotel Eglisen. Das Haus ist über 100 Jahre alt, die Zimmer winzig, aber dennoch strahlt es soviel Wärme und Gemütlichkeit aus, wie man es sich nach einem langen, kalten Tag im Auto wünscht. Erschöpft aber voller Vorfreude fallen wir ins Bett.

Island, du gefällst uns!

Einsame Straßen auf dem Weg nach Stykkisholmur

Meine Tipps:

Entdecken:

Walfjord: Statt um den Walfjord zu fahren, kann man auch den Tunnel nehmen, ich empfehle die längere, aber landschaftlich bezauberndere Strecke

Hraunfossar: Einer der bekanntesten Wasserfälle der Westküste wird gespeist aus einer Vielzahl kleiner Wasserfälle, die durch ein Lavafeld strömen.

Schlafen:

Keflavik: Hotel Berg – idealer Start- und Endpunkt, nur wenige Kilometer vom Flughafen gelegen.

Stykkisholmur: Hotel Eglisen – gemütliches, familiengeführtes Hotel in einem der ältesten Gebäude der Stadt.

Essen:

Hraunfossar: Hraunfossar Restaurant & Café – Hier gibt es leckere Suppen als Mittagssnack.

Stykkisholmur: Narfeyrarstofa – Restaurant mit  fantastischer isländischer Küche zu bezahlbaren Preisen.

Den kompletten Roadtrip Guide findet ihr in meinem Blogpost: 7 Tage Roadtrip durch Islands Winter

Die Reise wurde selbst bezahlt. Alle Hinweise zu Unterkünften, Restaurants, Ausflugsanbietern und Sehenswertem sind meine persönlichen Empfehlungen und entsprechend unbeauftragte und unbezahlte Werbung.

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Unterwegs auf der Snaefellsnes Peninsula – Island in Miniatur

Sonnenuntergang im Schnee am Thermalwerk
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Island im Winter – Der Golden Circle im Schnee

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7 Tage Roadtrip durch Islands Winter – Der komplette Guide